08. Mai 2025
Purpose, Werte, Kultur: Mit „rationalen“ Menschen über „softe“ Themen sprechen

Die Stimmung schwankt zwischen Neugier und Unsicherheit, manchmal auch Hilflosigkeit. Und es dauert nicht lange bis zum Versuch, Themen wie diesen auszuweichen und sich stattdessen auf konkretere, „härtere“ Aspekte zu konzentrieren, etwa planbare Maßnahmen, Prozesse oder Messbarkeit. Auch wenn dieses Meeting letztlich Ergebnisse geschaffen haben mag, wurde das eigentliche Thema nicht hinreichend bearbeitet.
Aus meiner Sicht ist die Unterscheidung von „weichen“ und „harten“ Themen nicht besonders hilfreich. Sie ist nur einen kleinen Sprung von der Wertung beider Aspekte entfernt: Was ist wichtiger als das andere? Und auch wenn oft alle im Raum diese Frage eigentlich mit „beides“ beantworten würden, kann sich, im „richtigen“ Moment, eine wenig zielführende Debatte daraus entspinnen, in der „softe“ und „harte“ Aspekte gegeneinander ausgespielt werden. Solche Auseinandersetzungen können auch als reine Ausweichmanöver dienen, um sich einem schwer greifbaren Thema nicht stellen zu müssen. Doch warum wirken manche Themen „soft“ und schwer greifbar? Und warum geht das nur manchen Menschen so?
Meine Idee dazu ist: Menschen neigen oft dazu, die Dinge wichtiger zu finden, die ihnen näher liegen, in denen sie sich kompetenter fühlen – auch unabhängig davon, was für das Unternehmen gerade anliegt. Und der eigentliche Unterschied liegt eher in den kognitiven Fähigkeiten, die ein Thema zur Bearbeitung verlangt. Manche Aspekte verlangen mehr abstraktes Denken und ein breiteres Vorstellungsvermögen, andere ein eher logisches, planendes und praktisches Denken. In Unternehmen brauchen wir beide Denk-Profile und meiner Erfahrung nach sind Menschen in der Regel nicht in beiden gleichermaßen talentiert.
In einem Kreis von eher analytisch und praktisch orientierten Menschen, die sich nun auch mit „soften“, abstrakten Themen beschäftigen sollen, wird eine Brücke gebraucht: ein praktikabler Weg vom Abstrakten zum Praktischen und umgekehrt, sodass ein Ausweichen oder Auslassen gar nicht erst notwendig wird. Und wenn Sie eine solche Gruppe beraten oder ein entsprechendes Meeting moderieren, ist es Ihre Aufgabe, eine solche Brücke zu entwickeln.
Hier ist eine Schlüsselstrategie, die sich für mich bewährt hat:
Sprechen Sie die Sprache Ihrer Gegenüber und verknüpfen Sie abstrakte Ideen mit konkreten Effekten. Vermeintlich „weiche“ Themen zeigen sich in sehr konkreten Effekten:
- Kultur zeigt sich in konkreten Umgangsformen oder Ritualen,
- Purpose und Vision eines Unternehmens manifestieren sich auch in Kennzahlen,
- Werte wie Transparenz zeigen sich in konkreten Regeln dazu, wie offen zugänglich Informationen für Mitarbeitende sind, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Nutzen Sie diese Verknüpfungen als Ausgangspunkte, um zwischen abstraktem und praktischem Denken zu wechseln und nutzen Sie Fragestellungen, um den Beteiligten den Wechsel zu erleichtern. Zwei Beispiele dazu:
- Wenn Sie an der Unternehmensvision arbeiten (abstrakt), fragen Sie die Beteiligten, wie ein bestimmter Workflow einer bestimmten Abteilung dann aussehen wird, wenn wir der Vision folgen (konkret).
- Andersherum: Wenn Sie über Unternehmenskultur sprechen, können Sie sich auf einen bestimmten Prozess oder eine Regelung konzentrieren (konkret). Dann fragen Sie: Was sagt das über unsere Kultur aus? Passt diese Regelung mit den Werten überein, zu denen wir uns bekannt haben (abstrakt)?
Wenn Sie auf diese Weise konsequent die Beteiligten dazu anregen, abstrakte und konkrete Aspekte zusammenzudenken, wird ihr Zusammenhang für die Beteiligten ganz praktisch greifbar. Sie sorgen so außerdem dafür, dass keine relevanten Aspekte verkürzt diskutiert oder ausgelassen werden und es trainiert ganz generell die Fähigkeit zum flexiblen Wechsel zwischen Denkmodi, was die strategische Arbeit im Unternehmen nachhaltig verbessern kann.
Bedenken Sie, dass sich auch Methoden oft an eher analytisch oder an abstrakt-intuitiv denkende Menschen richten. Wenn Sie in solchen Meetings oder Workshops mit Methoden arbeiten, versuchen Sie den Beteiligten auch hier einen Weg zu bauen, der bspw. analytisch beginnt und schrittweise abstrakt-intuitiver wird oder zwischen beiden Modi wechselt. Eine konkrete Anleitung dazu finden Sie auch in meinem Buch „Workshop Mechanics“.
Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht, mit rational geprägten Menschen über „weiche“ Themen zu sprechen? Und mit welchen Strategien haben Sie besonders gute Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie gern direkt oder als Kommentar!