12. Dez. 2024

Schon wieder passiert?!: Erfolg, der ungleiche Verteilung fördert (Teil 5)

Man kann an Ungerechtigkeiten verzweifeln, und zwar immer wieder, wenn man als Einzelperson, Team oder Organisation in immer wieder ähnliche Situationen gerät, obwohl man es eigentlich besser wissen müsste. Vielleicht ist dabei ein systemisches Muster am Werk, das es aufzudecken gilt, um seine Wirkweise zu verstehen und um Ausbruchsmöglichkeiten aus dem Teufelskreis zu entdecken.
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

2024 Schon Wieder passiert Teil 5

Was sind systemische Muster?

Systemische Muster (oder auch Systems Archetypes) gehen auf den Organisationsentwickler und MIT-Professor Peter Senge zurück. Sie beschreiben häufig beobachtetes Verhalten, das sich auf verschiedenste Kontexte übertragen lässt.  

Das Besondere daran: Die Beschreibungen machen Struktur und Dynamik dieser Teufelskreise sichtbar. Dadurch lässt sich nicht nur besser verstehen, wie ein wiederholtes Verhalten zustande kommt, sondern auch wie es sich über Zeit verhält und verändern lässt. 

Success to the Successful: Das Muster, das die Großen größer und die Kleinen kleiner macht 

Der Archetyp „Success to the Successful” beschreibt ein Muster, bei dem Ressourcen oder Unterstützung verstärkt an diejenigen fließen, die bereits erfolgreich sind, während weniger erfolgreiche Akteure immer weniger Unterstützung erhalten. Dies führt zu einer wachsenden Ungleichheit, da die Erfolgreichen weiter gewinnen und die weniger Erfolgreichen zunehmend benachteiligt werden. 

Ein konkretes Beispiel für ungleiche Verteilungen

In einem großen Unternehmen werden zwei Vertriebsabteilungen bewertet. Eine Abteilung erzielt regelmäßig bessere Umsatzzahlen und erhält daraufhin mehr Budget, mehr Personal und bessere Unterstützung. Die andere Abteilung, die Schwierigkeiten hat, wird hingegen zunehmend vernachlässigt und muss mit weniger Ressourcen auskommen, was es ihr noch schwerer macht, ihre Leistung zu verbessern. Diese Dynamik stärkt den Erfolg der einen und den Misserfolg der anderen Abteilung. 

Es braucht nicht viel Fantasie, um diese Dynamik auch in gesellschaftlichen Verhältnissen zu erkennen, bspw. im Verhältnis reicher und armer Menschen oder Ländern. Mit diesem Vergleich werden auch die fatalen Konsequenzen der Ungleichheiten erkennbar, die dieses Muster produzieren kann. 

Wie passiert das? 

Wenn in einem Success to the Successful-Szenario einer Person oder Gruppe mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, hat sie eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als eine andere Person oder Gruppe (vorausgesetzt, sie sind gleich fähig).  

Der anfängliche Erfolg der ersten Person oder Gruppe scheint diese Ressourcenverteilung zu bestätigen und rechtfertigt die Zuweisung von noch mehr Ressourcen. Die erste Person oder Gruppe scheint ein Erfolgsmodell zu sein. Selbst wenn, nach einiger Zeit, ihr Erfolg nachlässt, wird sie durch noch mehr Ressourcen unterstützt, um wieder so erfolgreich zu sein wie zuvor. 

Da die Ressourcen begrenzt sind, bekommt die zweite Person oder Gruppe jeweils das weniger, was die erste Person oder Gruppe mehr bekommt. So produziert und festigt dieses systemische Muster Ungleichheit, Gewinner und Verlierer. Es handelt sich dann nicht mehr um einen fairen Wettbewerb zweier Parteien. Der sehr wahrscheinliche Gewinner ist bereits systemisch vorbestimmt. 

Wie lässt sich das Muster von Ungleichheiten durchbrechen? 

Um dieser Dynamik entgegenzuwirken, sollten Ressourcen gezielt so verteilt werden, dass auch weniger erfolgreiche Akteure die Möglichkeit erhalten, sich zu verbessern. Das Unternehmen sollte ein faires Allokationssystem entwickeln, das die Potenziale jeder Abteilung berücksichtigt und nicht nur vergangene Erfolge belohnt. Das gilt vor allem auch mit Blick auf die strategischen Unternehmensziele, die womöglich bislang eher schwächere Abteilungen zukünftig verstärkt benötigen und die daher besonders gefördert werden sollten. 

Eine faire Ressourcenverteilung steht in keinem Widerspruch zum internen Wettbewerb, den manche Unternehmen zwischen Akteuren und Abteilungen fördern. Ganz im Gegenteil: Vergleichbare Ausgangsbedingungen, sprich: vergleichbare Ausstattung mit Ressourcen, machen einen fairen Wettbewerb erst möglich. Die Gefahr der Success to the Successful-Dynamik liegt darin, den Erfolg eines Akteurs zu fixieren, genauso wie den Misserfolg eines anderen. 

Besonders wenn Sie nicht mit der Idee eines internen Wettbewerbs sympathisieren: Versuchen Sie aus Konkurrenten Partner zu machen, indem Sie die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, Transparenz und Kommunikation fördern. 

Es kann auch hilfreich sein, Ziele zu definieren, die Erfolg auf einer höheren Ebene definieren, als die der einzelnen Akteure und der dadurch nur gemeinsam erreicht werden kann. 

Haben sich durch ein solches Muster schon Gewinner und Verlierer etabliert, können zudem effektive Mitarbeiterentwicklung, Coaching und eine temporäre Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für schwächere Akteure helfen, um eine Schieflage auszugleichen. Wichtig ist dabei nur, rechtzeitig gegenzusteuern, um nicht wieder in eine Success to the Successful-Schleife zu gelangen. 

Wenn Sie kurz darüber nachdenken: Waren Sie schon einmal Teil einer Success to the Successful-Dynamik? Und waren Sie dabei auf der Gewinner- oder der Verliererseite? 

Marc Riedinger

Principal
Organisationsberatung und Coaching
2024 Marc Riedinger