18. Juli 2024

Wer fragt, der führt: Eine Alternative zur Führung mit Ansage

In der heutigen Arbeitswelt, die von Komplexität, schnellem Wandel und ständigem Innovationsdruck geprägt ist, wird effektive Führung wichtiger denn je. Neben fachlichem Know-how und strategischem Geschick sind es vor allem "Soft Skills", die Führungskräfte zum Erfolg führen. Dazu gehört insbesondere die Fähigkeit, effektive Gespräche zu führen. Genau hier kommen systemische Fragetechniken ins Spiel.
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

Marc Riedinger und Bar Schwartz auf der AccsoCon 2024

Was systemische Fragen so erfolgreich macht

Systemische Fragen sind offene Fragen, die den Gesprächspartner zum Nachdenken und Reflektieren anregen. Sie zielen darauf ab, verschiedene Perspektiven zu beleuchten, neue Lösungsideen zu entwickeln und Ressourcen zu aktivieren. Sie heben sich dadurch von klassischen Fragen ab, bei denen es in erster Linie um Informationsgewinn geht. 

Über Fragen zu fFühren über Fragen ist kein neuer Ansatz. Schon Größen wie Einstein, Goethe und vor allem Sokrates wiesen auf die Bedeutung der richtigen Fragestellung hin, um zu führen, Empathie und Kreativität zu fördern und um Problemstellungen zu lösen. 

„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“ 
Johann Wolfgang von Goethe 

Die Möglichkeiten, Gespräche mit Mitarbeitenden oder Teams über systemische Fragen zu führen, sind enorm vielfältig. In diesem Artikel stelle ich Ihnen Fragetechniken vor, die nach meiner Erfahrung eine besonders starke Wirkmacht besitzen. Und ich gebe Ihnen schließlich konkrete Tipps an die Hand, um diese Fragen bestmöglich einzusetzen. 

Welche Vorteile haben Sie durch den Einsatz systemischer Fragen? 

So vielfältig die Gestaltungsmöglichkeiten in der Gesprächsführung, so zahlreich sind auch die Vorteile, wenn Sie systemische Fragen in Ihre Toolbox aufnehmen. Hier sind einige besonders relevante Vorteile aus Sicht von Führungskräften: 

  • Sie fördern Eigenverantwortung: Systemische Fragen helfen den Mitarbeitenden und Teams, ihre eigenen Probleme zu reflektieren und Lösungsansätze zu entwickeln. Dadurch werden sie eigenverantwortlicher und ihre Motivation wird positiv beeinflusst. 
  • Sie verbessern gegenseitiges Verständnis: Systemische Fragen schaffen eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre in der Kommunikation und vor allem gemeinsames Reflektieren von Arbeitssituationen. Dies wirkt sich positiv auf die Kommunikations- und Arbeitskultur in Ihrem Unternehmen aus. 
  • Sie fördern Kreativität und Innovation: Systemische Fragen helfen den Mitarbeitenden, neue Perspektiven zu entdecken und unkonventionelle Denkmuster zu entwickeln. Das kann zu mehr Kreativität und Innovation im Unternehmen führen. 
  • Sie stärken die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden: Systemische Fragen zeigen den Mitarbeitenden, dass sich die Führungskraft für ihre Anliegen und Bedürfnisse interessiert. Das stärkt die Beziehung und das gegenseitige Vertrauen. 

Die Top 5 systemischer Fragetechniken 

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, effektive systemische Fragen zu formulieren. Meine persönlichen Lieblingsfragen sind: 

  1. Ressourcen-Fragen: Sie nehmen einer Herausforderung negative Emotionalität und erinnern das Gegenüber daran, welche Handlungsfelder und Lösungsressourcen bereits zur Verfügung stehen. Dadurch wirken sie Ohnmachtsgefühlen und (erlernter) Hilflosigkeit entgegen. 
    Zum Beispiel: Wie haben Sie so ein Problem schon mal gelöst? Welche Ihrer Fähigkeiten könnten hier hilfreich sein? 
  2. Reframing-Fragen: Sie deuten das Gesprächsthema um und verhelfen so zu einer neuen Perspektive, die alternative Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. 
    Zum Beispiel: Angenommen Sie könnten uneingeschränkt agieren, was würden Sie dann tun, um die Situation zu verbessern? 
  3. Zirkuläre Fragen: Auch hier wird das Gesprächsthema umgedeutet, indem eine andere Perspektive eingenommen werden muss, um die Frage zu beantworten. 
    Zum Beispiel: Wie würde denn Ihr Kollege das Problem lösen? Stellen Sie sich vor, Sie sind jetzt der Vorgesetzte – wie ändert sich dann, aus Ihrer Sicht, die Situation? 
  4. Hypothetische Fragen: Hier muss sich eine (noch) nicht reale Situation vorgestellt werden, um die Frage beantworten zu können. Auf diese Weise erreichen hypothetische Fragen einen Perspektivwechsel. 
    Zum Beispiel: Wenn Sie Ihre Beförderung jetzt schon hätten, wie würden Sie dann das Problem lösen? 
  5. Paradoxe Fragen: Sie erzeugen einen Perspektivwechsel durch ein oft überraschendes Element, indem das Gesprächsthema auf den Kopf gestellt wird. Diese Überraschung kann dabei helfen, Menschen aus eingefahrenen Denkmustern herauszuhelfen. 
    Zum Beispiel: Was müssten Sie tun, damit sich die Situation noch verschlimmert?  

Anhand dieser fünf Kategorien lässt sich erahnen, welch vielfältige Möglichkeiten systemische Fragen für eine effektive Gesprächsführung bieten. Und sie sollen hier nur beispielhaft dazu dienen, die Bandbreite dieser Gesprächstechnik zu illustrieren. 

Der konkrete Tipp für Führungskräfte 

Systemische Fragen wirken sehr zuverlässig. Allerdings gilt es, ein paar Fehler bei ihrer Anwendung zu vermeiden, um nicht versehentlich eine gegenteilige Wirkung bei Ihrem Gegenüber zu erzeugen. 

  • Überprüfen Sie Ihre eigenen Hypothesen im Vorfeld: Fragen Sie sich, warum Sie diese Frage stellen und was Sie damit erreichen möchten. 
  • Formulieren Sie die Frage auf den Punkt: kurz und prägnant. Vermeiden Sie es, mehrere Fragestellungen in eine Frage zu packen. 
  • Vermeiden Sie suggestive, rhetorische oder vergleichbare manipulative Formulierungen: Wenn Sie Ihrem Gegenüber eigentlich eher etwas mitteilen möchten, als zu fragen, tun Sie dies besser direkt. Andernfalls wird Ihr Gegenüber das Manöver sehr wahrscheinlich durchschauen und dem Gespräch bzw. Ihnen misstrauischer begegnen. 
  • Bleiben Sie möglichst ruhig und entspannt, in Stimme und Körperhaltung. So fördern Sie die Reflexion und eine offene, vertrauensvolle Gesprächssituation. 
  • Reihen Sie die Fragen so aneinander, dass Sie inhaltlich anknüpfen. Dadurch entsteht ein natürlicher Gesprächsfluss und Sie können leichter steuern, welche Inhalte Sie vertiefen möchten. 

Mithilfe systemischer Fragen können Sie bei sich, Ihren Mitarbeitenden und Ihren Teams konstruktive Reflexion anstoßen, das gemeinsame Verständnis signifikant verbessern und damit die Zusammenarbeit und Produktivität positiv beeinflussen. Sie tragen dazu bei, dass sich die Beteiligten in ihrem Arbeitsumfeld verstanden fühlen und empathisch aufeinander reagieren. Durch das Einnehmen anderer Perspektiven, das durch systemische Fragen forciert und eingeübt wird, wird zudem die Problemlösungskompetenz und Innovationskraft in Ihrem Unternehmen gefördert. 

Gerade zu Beginn kann es dabei hilfreich sein, sich von erfahrenen Coaches und Moderierenden unterstützen zu lassen, bis die Technik verstanden und eingeübt ist. So können Sie die Fallstricke und damit verbundene Missverständnisse vermeiden, in die viele Menschen tappen, wenn Sie damit anfangen, systemische Fragen anzuwenden. In diesem Fall, schreiben Sie uns, wir unterstützen Sie gerne! 

Marc Riedinger

Principal
Transformation und Organisationsberatung
Marc Riedinger Raute