06. Feb. 2025

Missverständnisse: Wie können wir Konflikte verhindern?

Missverständnisse geschehen ständig und oft lösen sie sich in einem gemeinsamen Lachen auf. Werden sie aber nicht erkannt oder nicht angesprochen, können sie sich zu ernsten Konflikten entwickeln und damit jede Ebene unseres menschlichen Zusammenseins gefährden – vom Privaten bis ins Berufliche.
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

Eine stimmungsvolle Aufnahme von Distelblüten in der Dämmerung, umgeben von leuchtenden Glühwürmchen, die ein warmes, gelbes Licht ausstrahlen. Der Hintergrund ist unscharf, was die Aufmerksamkeit auf die Pflanzen und die schwebenden Lichter lenkt und eine magische, nächtliche Atmosphäre erzeugt.

Eine Möglichkeit, um einen Konflikt zu bearbeiten, der auf Missverständnissen beruht, ist das Einnehmen der Perspektive des Gegenübers, um ein Verständnis für die andere Perspektive zu entwickeln. Eine andere ist, sich bewusst zu werden, wie man selbst ein Verständnis der Situation konstruiert hat, welches man nun für wahr hält und das in den Konflikt verwickelt ist.  

Ein Beispiel: Sie sind mit einer Freundin verabredet, doch sie taucht zum ausgemachten Zeitpunkt nicht auf. Es stellt sich heraus, dass sie die Verabredung vergessen hat. Dieses Vergessen ist eine objektivierbare Beobachtung: Sie wurde von der Freundin bestätigt und kann so als Wirklichkeit, als Tatsache angesehen werden. Dieser Tatsache wird nun schnell und automatisch eine Bedeutung beigemessen, sie wird sinnhaft eingeordnet. Nennt Ihnen die Freundin nicht sofort einen für Sie nachvollziehbaren und glaubhaften Grund für das Vergessen, schaffen Sie sich unbewusst eine eigene Erklärung, möglicherweise, dass Sie der Freundin nicht wichtig genug sind, wenn sie Sie einfach so vergisst. Darauf folgt eine emotionale Reaktion, vielleicht Enttäuschung, Trauer oder Wut. An dieser Stelle wird es knifflig, denn die emotionale Reaktion basiert auf Ihrer Interpretation der Situation, nicht auf der Tatsache selbst, dass Ihre Freundin die Verabredung vergessen hat. Die Emotion nimmt die Interpretation des Geschehenen als Tatsache.   

Ihr Unbewusstes hätte sich die Situation auch ganz anders erklären können. Beispielsweise mit der Frage, ob nicht etwas sehr Dramatisches im Leben der Freundin passiert sein muss, dass sie die Verabredung vergessen konnte. In diesem Fall sähe die emotionale Reaktion auf dieselbe Beobachtung wahrscheinlich völlig anders aus, nämlich nicht gekränkt, sondern mitfühlend.  

Ganz entscheidend: Wie Sie sich jetzt in Bezug auf die Freundin verhalten, basiert auf der emotionalen Reaktion, die wiederum auf Ihrer unbewussten Interpretation des tatsächlichen Vergessens der Verabredung beruht.  

Unsere Wahrnehmung der Welt funktioniert also in mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Schritten, von denen uns die meisten nicht bewusst sind. Und diese inneren Prozesse können Gedanken, Emotionen und Verhalten produzieren, die weit entfernt sind vom tatsächlichen Geschehen. Auch deshalb sind unsere Reaktionen für andere nicht immer nachvollziehbar. Und das gilt für alle an einem Missverständnis oder Konflikt beteiligten Personen: Jede Person erzählt sich eine zumindest in Teilen andere Geschichte und handelt entsprechend – oft zur Verwunderung der anderen.  

Was können wir bei Missverständnissen und Konflikten konkret tun? 

Wenn uns bewusst ist, dass ein Missverständnis vorliegt, sollten wir das natürlich auf möglichst direktem Weg ansprechen. Oft ist das aber nicht gegeben, vor allem wenn mehrere Personen beteiligt sind oder die Beteiligten nicht in regelmäßigem, offenem Kontakt stehen. 

Eine bekannte und sehr effektive Möglichkeit, um mit bestehenden Missverständnissen umzugehen und um sie zu vermeiden, ist das aktive Zuhören. Dabei spiegeln wir dem Gegenüber durch Rückfragen, wie wir das Gesagte verstanden haben, mit dem Ziel, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. 

Es hilft uns außerdem, ein schärferes Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie wir unser eigenes Verständnis einer Situation konstruieren. So kann es uns leichter fallen, Gedanken und Emotionen rund um ein Ereignis zuzuordnen und entsprechend klar und entspannt darauf zu reagieren.  

Dieses Bewusstmachen lässt sich gut trainieren, beispielsweise indem Sie sich folgende 3 Fragen stellen: 

Ein stilisiertes Bild eines Kopfes in Seitenansicht, bei dem das Haar in einem leuchtenden Grün gefärbt ist und der Rest des Kopfes in Blau hervorgehoben ist. Auf dem Kopf sind die nummerierten Fragen "3. Wie gehe ich damit um?" und "2. Was bedeutet das für mich?" in weißer Schrift zu sehen. Der Hintergrund ist neutral gehalten, um den Fokus auf die farbigen Bereiche und die Fragen zu lenken.
  1. Was kommt da? Schritt 1 ist eine (möglichst) wertfreie Annahme von Informationen. Wenn jemand etwas zu mir sagt, sind das eben diese Worte, die mich erreichen. Wenn ich etwas beobachte, nehme ich gewisse Bilder und Eindrücke wahr und konzentriere mich auf das, was ich tatsächlich beobachten kann, ohne zu bewerten. 
  2. Was bedeutet das für mich? Hier geht es um eine bewusste Wertung der Informationen, die mich im ersten Schritt erreicht haben. Es ist völlig in Ordnung, sich bspw. über das Verhalten einer Person zu ärgern. Der Trick ist, möglichst sauber auseinanderhalten zu können, was ich tatsächlich beobachtet oder gehört habe und welche Bedeutung ich der Beobachtung gebe. Das eine ist eher in der Außenwelt verhaftet, das andere eindeutig ein ganz persönlicher, innerer Prozess. 
  3. Was mache ich damit? Kann ich trennen zwischen dem Beobachteten (Schritt 1) und meiner inneren Bewertung (Schritt 2), dann fällt es mir leichter, entspannt, im Sinne meines Wohlbefindens und der Situation angemessen zu reagieren.  

Das Schöne an dieser Vorgehensweise ist, dass sie schnell in Fleisch und Blut übergeht, wenn Sie diesen Prozess ein paar Mal in echten Situationen ausprobiert haben. Es kann außerdem sehr erkenntnisreich sein, wenn Sie dadurch ein genaueres Gespür dafür entwickeln, was von außen an sie herantritt und welche Reaktionen in Ihnen ausgelöst werden. Vermutlich entdecken Sie schnell gewisse Muster Ihrer eigenen Wertungsprozesse, die daraufhin an Wirkung verlieren können. Der „Autopilot“ wird heruntergefahren und Sie sind eher Herr (oder Frau) der Lage. 

Das ist nicht nur gut für uns selbst, sondern hilft uns auch im Umgang mit anderen. Denn Missverständnisse und viele Konflikte sind das Ergebnis ungenauer und oft wenig bewusster Kommunikation.  

Haben Sie für sich einen Weg gefunden, um sich Ihrer Deutungsprozesse bewusst zu werden? Schreiben Sie mir gern! 

Marc Riedinger

Organisationsberatung und Coaching
2024 Marc Riedinger