01. Aug. 2024

Mit Metaphern Organisationen verstehen und verändern (Teil 2)

Insbesondere wenn wir versuchen eine Organisationskultur zu beschreiben und verändern, können uns Sprachbilder enorm helfen, auf einfache und oft spielerische Weise über ein so komplexes und abstraktes Thema zu sprechen.
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

Bild von Pexels, welches eine Glaskugel zeigt, die für Metaphern stehen soll.

    Metaphern vereinfachen komplexe Konzepte, fördern visuelles und emotionales Denken, erleichtern die Kommunikation und erweitern unseren Denkrahmen. Darauf bin ich im ersten Teil des Artikels detailliert eingegangen. In diesem zweiten Teil stelle ich vier der verbreitetsten Organisationsmetaphern vor, für welches Selbstverständnis sie stehen und wie sie sich für Veränderungen praktisch nutzen lassen. 

    Die RUGS-Maschine: Wie geschmiert 

    Eine der bekanntesten Metaphern für Organisationen ist die (gut geölte) Maschine. Diese Metapher veranschaulicht eine Organisation als präzise abgestimmtes System, in dem jedes Bauteil (Mitarbeitende oder Prozesse) einen festen Platz haben muss und einen eigenen Teil zum Funktionieren des Gesamtapparates beiträgt. Dabei sind einige Bestandteile wichtiger als andere: Steuereinheiten sind meist schwerer zu ersetzen als Teile des Maschinenraums. Funktioniert die Maschine nicht, müssen Teile geölt, ausgetauscht oder repariert werden. Ziel ist immer, dass die Maschine wie geplant funktioniert. 

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    Hinter dieser Metapher verbirgt sich nicht nur die Vorstellung eines festen hierarchischen Aufbaus, sondern auch ein Bild von Zusammenarbeit und im Extremfall von Menschen als ersetzbaren Bauteilen. Sie gründet auf drei Ideen: 

    1. Die Organisation existiert in erster Linie dazu, festgelegte Ziele zu erreichen. 
    2. Die Organisation basiert auf rationalen Entscheidungen und Strukturen. 
    3. Die Beteiligten bilden eine erkennbare Einheit und erfüllen als solche ihre Aufgaben, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. 

    Diese Ideen werden oft auch mit dem RUGS-Akronym zusammengefasst, das für Rational, Unitary und Goal-Seeking steht.  

    Die Vorstellung, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren entstand durch Erfahrungen in der industriellen Revolution und hat sich so tief in unsere Arbeitskultur eingebrannt, dass sich viele Menschen der industrialisierten Welt kaum etwas anderes vorstellen können. Jede denkbare Alternative riskiert für sie das Funktionieren des Gesamtapparats und wird tendenziell abgelehnt, selbst wenn die Maschine erkennbar baufällig geworden ist.  

    Die Metapher hält sich auch deshalb so hartnäckig, weil auch andere Lebensbereiche und sogar unser Körperbild über lange Zeit durch sie geprägt wurde: das Herz als Motor oder das Gehirn als CPU. Maschinenvergleiche fallen uns leicht. Und wir fallen leicht auf sie herein. 

    • Konstruktive Schwerpunkte: Präzision, Zuverlässigkeit, Qualität, Sachlichkeit 
    • Negative Aspekte: Im Kern „entmenschlicht“, Unbeweglichkeit, Vorstellung einer umfassenden Planbarkeit 

    Organismus und Evolution: Anpassungsfähigkeit und Wachstum 

    Organisationen, die sich als Organismen verstehen, sehen sich in einem weitgefassten Umfeld angesiedelt, von dem sie direkt abhängen. Es geht in dieser Metapher viel mehr um den Blick nach außen, die Fähigkeit zur Anpassung an die Umgebungsbedingungen, als um einen Blick nach innen und auf das eigene Funktionieren, wie es bei der Maschinen-Metapher der Fall ist. 

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    Organische Systeme stehen in einem kontinuierlichen Austausch mit ihrer Umwelt. Von diesem Austausch hängt ihr Überleben ab, bspw. über ihren Zugang zu Ressourcen. Die Vorstellung einer Organisation als Organismus wird demnach zu einem starken Fokus auf die Beziehungen zur Außenwelt (Kunden, Wettbewerber etc.) und die Beschaffung von Ressourcen führen. Eine als stark wahrgenommene Abhängigkeit vom Außen bedeutet, dass sich die Organisation konstant anpassen können muss und Veränderung zum Dauerzustand werden kann. Das hat einen erhöhten Ressourcenbedarf zur Folge. Das Ziel ist immer, dass der Organismus überlebt und gedeiht. 

    Im Ergebnis versteht sich die Organisation als strukturell beweglich, fördert Lernen und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden stark. Die Vorstellung von notwendiger, konstanter Veränderung kann die Organisation und die Mitarbeitenden allerdings dadurch überfordern und erschöpfen. Ähnlich wie bei der Maschinenmetapher zählt hier das Ziel des Ganzen und weniger das Wohlbefinden einzelner Beteiligter. Einigkeit wird vorausgesetzt. 

    Dazu kommt: Der Vergleich mit einem einfachen biologischen Organismus als Teil eines Ökosystems nimmt nicht zur Kenntnis, dass Organisationen aus Absicht be- und entstehen. Die Metapher ignoriert, dass Organisationen Produkte von Visionen, Ideen und Wertvorstellungen sind und ihre Form dadurch ungleich instabiler und unberechenbarer ist. Im Gegensatz zu einfachen Organismen haben Organisationen eine Wahl sich auf bestimmte Art und Weise zu verhalten. Hier gibt es Kultur, nicht nur Natur und Evolution. 

    • Konstruktive Schwerpunkte: Anpassungsfähigkeit, Lernen, Wachstum, Überleben 
    • Negative Aspekte: hoher Ressourcenverbrauch, Erschöpfung 

    Die Spiel-Metapher: Wettbewerb und Strategie 

    Im deutlichen Gegensatz zu Vergleichen mit Maschine oder Organismus geht die Spiel-Metapher nicht von einer Einigkeit der Beteiligten aus, die ein gemeinsames Ziel anstreben. Hier werden pluralistische Interessen anerkannt. Einigkeit und Kohärenz sind im Verständnis der Metapher Ergebnisse kontinuierlicher Verhandlungen und Auseinandersetzungen. Sie sind entsprechend hart erkämpft und vorübergehend. 

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    In der Spiel-Metapher geht es weniger um Rationalität und Überleben des Ganzen als um Einfluss und Konflikt. Einzelinteressen stehen in Wettstreiten miteinander, deren Gewinner letztlich die Entwicklung der Organisation beeinflussen. Die Organisation selbst beschäftigt sich damit, konstruktive und destruktive Aspekte dieser Machtkämpfe in ihrem Interesse zu balancieren. Denn es geht auch um einen Wettstreit der besten Ideen, von der die Organisation als Ganzes profitiert. 

    Es gibt vier spieltypische Charakteristika, die dabei helfen können, die Metapher und ihre Bedeutung für eine Organisation besser zu verstehen: 

    1. Spiele werden gespielt, um einen Preis zu gewinnen (Pay-off). Dieser Preis ist was die Spielenden motiviert. 
    2. Spiele haben Regeln. 
    3. Spielzüge sind strategisch, d.h. Spielende planen ihre Züge innerhalb der Einschränkungen durch die Spielregeln. 
    4. Das Spielergebnis ergibt sich durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Spielstrategien, beinhaltet Elemente des Zufalls und ist nur schwer vorherzusehen. 

    Die Vorstellung von Organisationen als Austragungsort von (Macht-)Spielen führt zu einer beweglichen Organisation. Nur passt sie sich nicht wie beim Organismus den Anforderungen der Umwelt an, sondern eher den Bewegungen im Inneren. 

    • Konstruktive Schwerpunkte: Vielfalt der Interessen, Wettbewerbsfähigkeit, Beweglichkeit 
    • Negative Aspekte: Fokus auf Macht und Verdrängung, hoher Ressourcenverbrauch für interne Angelegenheiten 

     Die Familienmetapher: Zusammenhalt und Unterstützung 

    Die vierte und letzte Metapher vergleicht die Organisation mit einem Familienverbund. Im starken Gegensatz zur Spiel-Metapher steht hier wieder die Einheit, das Ganze im Vordergrund. Die Vielfalt von Interessen und Sichtweisen wird anerkannt und von der Familie getragen, solange sich die Einzelinteressen innerhalb der Grenzen bewegen, die die Familie durch ihre Ideen von Normen und Werten setzt. Die Vorstellung, dass Menschen zu uns passen oder nicht, sind Ausdruck davon. 

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    Wie das Maschinenbild setzt auch die Familienmetapher auf das Wohl des Ganzen durch die Mitwirkung der Beteiligten: Jede:r trägt den eigenen Teil bei, damit es der Familie gut geht. Hier entsteht zudem eine starke emotionale Verbindlichkeit: Die Familie lässt man nicht im Stich und Blut ist dicker als Wasser. Eine solche Vorstellung im Arbeitsumfeld kann starke Gefühle von Sicherheit und Verbundenheit, aber auch von Abhängigkeit und Unbeweglichkeit erzeugen. Dann droht eine toxische Situation, die die Metapher nicht auflösen kann. Die Familie besteht nur aus dem Verbund der Mitglieder und im Gegensatz zu Unternehmen hat sie hat kein Ziel, das erreicht werden soll und die Beteiligten einen kann. 

    So verbreitet und einladend die Metapher auch ist, sie liegt einem fundamentalen Trugschluss auf. Die Basis einer Arbeitsbeziehung ist vertraglich und damit Gegenstand von Verhandlung, Veränderung und auch Auflösung. Im Kern geht es um Leistung gegen Geld, unabhängig davon wie offen, vertrauensvoll und emotional verbindlich die Organisation mit ihren Mitarbeitenden umgeht. Das alles baut auf der vertraglichen Kernbeziehung auf und unterscheidet sich dadurch stark von familiären Beziehungen. 

    • Konstruktive Schwerpunkte: Fokus auf Zusammenhalt und Wohlergehen der Beteiligten 
    • Negative Aspekte: erzeugt falsche Vorstellungen von Verbindlichkeit und kann dadurch toxische Situationen und Abhängigkeit erzeugen 

    Der konkrete Tipp zur Veränderung mit Metaphern 

    Metaphern helfen uns dabei, mit leicht verständlichen Bildern über ansonsten schwer greifbare Themen zu sprechen. Dadurch können wir uns leichter einem gemeinsamen Verständnis annähern. Dabei ist Annäherung als Begriff entscheidend. Solche Metaphern sind keine Diagnosen, sondern immer nur Vergleiche, die dem was gemeint ist, möglichst nahekommen. 

    Deshalb empfehle ich auch co-kreativ, also gemeinschaftlich mit Metaphern zu arbeiten. So ist gewährleistet, dass Hypothesen und Vergleiche gegenseitig abgeglichen werden. Und es macht mehr Freude! Versuchen Sie beispielsweise folgende Vorgehensweise: 

    1. Aufspüren möglicher Sprachbilder: Hören Sie sich und anderen aufmerksam zu und achten Sie auf Begriffe, die zu Sprachbildern gehören könnten. 
    2. Im Dialog die Metapher weiterdenken: Haben Sie potenzielle Metaphern aufgespürt, gehen Sie in den Dialog mit den Beteiligten und gehen sie den Sprachbildern gemeinsam nach. Was bedeutet es denn, eine Familie zu sein? Was gehört dazu und was nicht? Gehen Sie ruhig ins Detail. Und fragen Sie schließlich: Sind wir das wirklich? 
    3. Im Dialog die Metapher wechseln: Haben Sie gemeinsam ein Sprachbild ergründet, versuchen Sie sich die Organisation durch die Brille einer alternativen Metapher vorzustellen. Was, wenn wir keine Maschine, sondern ein Organismus wären? Wie würden wir dann arbeiten? Wie würde es uns dabei gehen? 

    Natürlich ändern sich auch durch das Spielen mit Metaphern nicht schlagartig die grundlegenden Vorstellungen und Erwartungen, die Menschen mit Organisationen verbinden. Aber sie schaffen schnell und zuverlässig ein Bewusstsein für unsere Grundannahmen und dafür, dass diese reflektiert werden können. Und eine solche Reflexion ist für die erfolgreiche Transformation von Unternehmen unerlässlich. 

    In vielen Fällen wird eine solche Reflexion durch externe Moderation erleichtert. Sie ist nicht nur darin geschult, sondern auch unbeeinflusst durch die bestehende Unternehmenskultur und damit weit weniger parteiisch. Wenn Sie an einer solchen Unterstützung Interesse haben, schreiben Sie uns. Wir unterstützen Sie gerne! 

    Marc Riedinger

    Principal
    Organisationsberatung und Coaching
    2024 Marc Riedinger