09. Jan. 2025
Systemisch Denken und Handeln (1): Was ist das eigentlich?
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Systemisches Denken und Handeln
Systems Thinking – das Fundament systemischer Arbeit – ist ein wissenschaftlicher Ansatz, der sich mit der Analyse, Modellierung und Beeinflussung von Komplexität befasst und im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Konzepte, Prinzipien und Unterdisziplinen hervorgebracht hat. Dazu gehören beispielsweise System Dynamics (u.a. Donella H. Meadows), das sich mit dem Verhalten eines Systems über Zeit beschäftigt oder Soft Systems Methodology ( Peter Checkland), um primär soziale Systeme und Organisationen zu verstehen und zu verbessern.
Praktisch angewandt helfen diese Ansätze dabei, komplexe Phänomene tiefergehend zu verstehen, dadurch bessere Entscheidungen zu treffen und effektiv „in das System“ eingreifen zu können, ohne unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen.
Unsere heutige Welt ist stark vernetzt und auch dadurch komplexer geworden, daher ist die Fähigkeit, effektiv mit Komplexität umzugehen stark relevant. Das betrifft viele Einzelpersonen und insbesondere jene, die mit ihren Entscheidungen die Zukunft von Organisationen beeinflussen.
Traditionelle Management-Theorien und Neigungen zu Quick-Fixes, Low-Hanging-Fruits u. ä. werden einer solchen Komplexität nicht gerecht. Im Gegenteil: Sie können zu struktureller Unbeweglichkeit und vorschnellem Handeln führen. Das eine schränkt die notwendige Anpassungsfähigkeit einer Organisation in einem komplexen Umfeld ein. Das andere kann zu teils kritischen Nebenwirkungen führen, die manchmal erst nach einiger Zeit, wenn überhaupt erkennbar werden.
Systemische Herangehensweisen, die auf Systems Thinking basieren, haben sich im effektiven Umgang mit Komplexität bewährt und werden mittlerweile von internationalen Institutionen, Regierungen, Unternehmen und anderen Organisationen angewandt.
Takeaways Systemisches Denken und Handeln
- Systemisches Denken und Handeln ist selbst komplex und sowohl das Erlernen als auch die Anwendung dauert einige Zeit.
- Eine systemische Beratung ist weder kurzfristig noch schematisch, sondern betrachtet die komplexe Situation individuell und im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Kontext.
Das Ziel ist ein tiefgehendes Verständnis der komplexen Situation und darauf aufbauend ein Eingreifen, das die Situation verbessert, ohne unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen. Eine systemische Beratung ohne umfangreiche Analyse ist daher nicht denkbar.
Was ist mit einem System gemeint?
Der Begriff „System“ kann im Alltagsgebrauch sehr unterschiedlich interpretiert werden und führt nicht selten zu Missverständnissen, wenn systemisches Denken erlernt und angewandt wird.
Im Kern bezieht sich Systems Thinking auf den berühmten Gedanken von Aristoteles, dass das Ganze etwas anderes sei, als die Summe seiner Teile – wobei dieses „Ganze“ das System darstellt. In einer Beratungssituation kann man das System als den Betrachtungsgegenstand verstehen, auf den sich im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses geeinigt werden muss.
Konkreter beschreibt man im systemischen Kontext dieses „Ganze“ anhand seiner Eigenschaften:
- Teil-und-Ganzes: Ein System besteht aus mehreren Bestandteilen, die das Ganze ausmachen.
- Verknüpfungen: Diese Bestandteile sind miteinander verbunden und stehen in Wechselwirkungen zueinander.
- Zweck: Jedes System dient einem Zweck, auch bezogen auf ein größeres System, in das es eingebettet ist. Dies kann auch als Prozess verstanden werden, wobei das System zweckgemäß Inputs in Outputs umwandelt.
- Emergenz: Durch die Interaktionen der Bestandteile eines Systems entstehen Effekte, zu denen ein einzelner Bestandteil nicht in der Lage gewesen wäre.
- Grenze: Jedes System ist begrenzt und von einem Umfeld umgeben.
- Austausch mit der Umgebung: Systeme beeinflussen ihre Umgebung und werden durch sie beeinflusst. In aller Regel lässt sich dieser Austausch in Form von Ressourcen untersuchen, die vom System aufgenommen und abgegeben werden.
- Dynamik: Systeme verändern sich im Lauf der Zeit, gerade durch den Austausch mit seiner Umgebung, die sich auch über Zeit verändert.
- Konstrukt: Systeme können ein reales oder mentales Konstrukt sein.
- Perspektiven: Systeme können aus unterschiedlichen Sichtweisen unterschiedlich verstanden werden.
Takeaways System
- Ein System ist ein Betrachtungsgegenstand und wird von verschiedenen Menschen unterschiedlich gesehen. Deshalb werden in einer systemischen Beratung immer möglichst alle denkbaren Perspektiven von Beteiligten integriert, um ein gemeinsames Verständnis des sogenannten „System of Interest“ zu schaffen, bevor es zu Interventionen kommt.
- Eine systemische Beratung aus Sicht einer einzelnen Perspektive oder Interessensgruppe ist nicht vorstellbar.
- Auch die Perspektive der beratenden Person beeinflusst das System und wird durch das System beeinflusst. Deshalb verlangt eine systemische Beratung eine stark ausgeprägte und kontinuierliche Selbstreflexion, um unerwünschte und oft unbewusste Beeinflussungen durch die Beratenden zu vermeiden.
Ein leicht verständlicher und praktischer Ansatz, um ein gemeinsames systemisches Verständnis zu erreichen ist das DSRP-Framework von Derek Cabrera, das ich in diesem Artikel beschrieben habe.
Wie Systemiker auf die Welt blicken und komplexe Probleme lösen, folgt im zweiten Teil des Artikels. Bis dahin: Haben Sie Fragen oder sehen die Dinge anders? Dann schreiben Sie mir gern!