17. Okt. 2024

Constructive discontent: Die Innovationskraft der Unzufriedenheit

In der Welt der Kreativität und Innovation gibt es unzählige Methoden, die uns helfen sollen, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Lösungswege zu finden. Eine sehr effektive Technik ist die „konstruktive Unzufriedenheit“ oder „constructive discontent“: die Kunst, Unzufriedenheit konstruktiv zu wenden und sie für positive Veränderungen zu nutzen. Doch wie kann das funktionieren?
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

20240910 Constructice Discontent Artikel 816208622
In den letzten 33 Jahren habe ich jeden Morgen in den Spiegel geblickt und mich gefragt: Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann tun wollen, was ich heute tun werde? Und immer, wenn die Antwort für zu viele Tage “Nein” lautete, wusste ich, dass ich etwas verändern musste.Steve Jobs

Constructive discontent oder konstruktive Unzufriedenheit als Technik

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“, sagte Psychiater Viktor Frankl. Wir haben also eine Wahl, wie wir mit einer Unzufriedenheit umgehen. Wir können sie ignorieren, resignieren oder sie als Motivation verwenden, die Dinge positiv zu verändern. Dann entwickelt Unzufriedenheit eine konstruktive Lösungskraft. 

In der Praxis durchläuft eine Problemlösung auf Basis konstruktiver Unzufriedenheit drei Phasen:  

  • Immersion: eine intensive und möglichst konzentrierte Auseinandersetzung mit der Situation oder Sache, mit der Sie unzufrieden sind. 
  • Kritik: eine Reflexion der immersiven Erfahrung und Sammlung der Aspekte, die Sie unzufrieden mit der Situation oder Sache machen. 
  • Lösung: eine Sammlung von Verbesserungsmöglichkeiten für das Ganze oder Aspekte. 

Sie können konstruktive Unzufriedenheit allein, in Gruppen oder sogar als Teil Ihrer Unternehmenskultur einüben.  

Constructive discontent als Teil der Unternehmenskultur 

Unternehmen, die konstruktive Unzufriedenheit fördern, schaffen eine Kultur der Innovation und des kontinuierlichen Lernens. Sie ermutigen ihre Mitarbeitenden, Unzufriedenheiten und Probleme anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, anstatt sie zu verschweigen oder Schuld zuzuweisen. 

Als Führungskraft sind dabei vor allem moderierende Qualitäten gefordert, um die von Mitarbeitenden gesammelten Unzufriedenheiten stets ins Konstruktive zu wenden. Ziel der Auseinandersetzung mit negativen Eindrücken soll schließlich die Lösungsfindung sein. Andernfalls kann eine Diskussion schnell in destruktives Beklagen und Schlechtreden eigentlich positiver Aspekte kippen. Die Situation wird dann verzerrt dargestellt und die Teilnehmenden werden demotiviert.  

Doch Vorsicht: Ins Konstruktive wenden bedeutet dennoch, dass die Unzufriedenheit ernst genommen und betrachtet wird. Auch das Verharmlosen oder Schönreden verzerrt die Situation und verstellt den Blick auf Verbesserungsmöglichkeiten. Unser Ziel sollte sein, die Unzufriedenheit mit einer Situation so zu sehen, wie sie von den Beteiligten wahrgenommen wird und erst danach und mit diesen Erkenntnissen Lösungsmöglichkeiten zu finden. 

Darüber hinaus gilt es, auch Mitarbeitende zu aktivieren, die sich sonst eher zurückhalten. Erst durch die Berücksichtigung aller an einer Situation beteiligten Perspektiven kann sich ein schlüssiges Gesamtbild ergeben. Das bedeutet, dass laute Stimmen nicht überinterpretiert und leise Stimmen nicht überhört werden dürfen. Konkrete Tipps dazu, wie Sie diese Balance in der Moderation praktisch herstellen können, finden Sie in meinem Buch „ Workshop Mechanics“. 

Der konkrete Tipp für die Förderung konstruktiver Unzufriedenheit 

  • Schaffen Sie Raum und Infrastruktur für offene Kommunikation und Feedback. 
  • Ermutigen Sie die Mitarbeitenden, ihre Gedanken und Ideen zu teilen, auch wenn sie kritisch sind. 
  • Üben Sie mit Ihren Mitarbeitenden, Unzufriedenheit ins Konstruktive zu wenden und unterstützen sie diesen Vorgang moderierend. 

Nicht zuletzt: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und demonstrieren Sie durch ihr tägliches Verhalten, dass Sie Unzufriedenheit klar äußern und ins Konstruktive wenden können, um Situationen zu verbessern. Sie werden schnell Mitarbeitende entdecken, die Ihrem Beispiel folgen. 

Indem wir uns erlauben, unzufrieden zu sein, aber diese Unzufriedenheit konstruktiv nutzen, können wir Hindernisse überwinden, Innovationen vorantreiben und erfolgreichere Organisationen schaffen. Außerdem profitiert nicht nur die Lösungsfindung von einem geübten, konstruktiven Umgang mit Unzufriedenheit. Auch der Umgang mit Konflikten unterschiedlichster Art in Ihrem Unternehmen kann sich dadurch deutlich verbessern. 

Also trauen Sie sich ruhig unzufrieden zu sein. Ihre Organisation und die Mitarbeitenden werden es Ihnen danken.  

In welcher Situation hat Ihnen Ihre Unzufriedenheit geholfen? Teilen Sie gerne Ihre Erfahrungen mit uns.  

Marc Riedinger

Principal
Transformation und Organisationsberatung
Marc Riedinger Raute