15. Okt. 2021

Die Ruhe vor dem digitalen Sturm

Am Freitag, den 01.10.2021, fand unsere interne Accso-Konferenz zum Thema „Digitale Ethik – Verantwortung und Nachhaltigkeit in der IT“ statt. Komplett remote trafen sich alle Accsomitarbeitende online, um an vier spannenden Vorträgen von externen Sprechern und einer Diskussionrunde teilzunehmen. Ein Rückblick.
Managing Consultant

Autor:in

Nicole Heinze

Über einer nächtlich beleuchteten Stadt zieht ein Unwetter auf. Es sind Blitze und Wolken zu sehen.

Am Freitag, den 01.10.2021, hatten wir unsere interne Accso-Konferenz zum Thema „Digitale Ethik – Verantwortung und Nachhaltigkeit in der IT“.

Komplett remote trafen sich alle Accsomitarbeitende online, um an vier spannenden Vorträgen von externen Sprechern zu dem diversen Thema teilzunehmen. Dazwischen gab es eine geplante Diskussionrunde, um sich mit vier Unterthemen zu der Frage „Was bedeutet digitale Ethik für Accso?“ auseinander zu setzen. Was wir genau in den Vorträgen gehört und gelernt haben? Wir haben für euch die Vorträge nochmal Revue passieren lassen und zusammengefasst.

Daniel Domscheit-Berg spricht auf der AccsoCon 21 über die Herausforderung der Zukunft

Zum Abschluss der AccsoCon 2021 erwartete uns Daniel Domscheit-Berg mit seiner Keynote „Die Ruhe vor dem digitalen Sturm – Eine aktivistische Sicht auf das, was da kommt“. Bereits der Titel weckte in mir großes Interesse, denn nach einem Tag voller ethischer Fragen, die zum einen persönliche Dilemmata, zum anderen aber auch große gesellschaftspolitische Problemstellungen aufwarfen, hatte ich den Eindruck, als ob Aktivismus genau das ist, was wir in der heutigen Zeit gebrauchen können. Um eins vorwegzunehmen: Ich wurde nicht enttäuscht.

Ein Blick in die Vergangenheit

„Wir sind heute längst an diesem Übergang, wo das Internet als neues Kommunikationsmedium alles verändert. Wo wir längst wissen, dass uns das Öl ausgehen wird und mit erneuerbarer, dezentraler Energieproduktion das alles werden wird und anders werden muss. […] Wir sind heute wieder in dieser Übergangsphase, wie die Weber vor der ersten Industriellen Revolution, die sich nicht vorstellen konnten, dass das alles irgendwie zu Ende gehen könnte. Genauso wenig können wir uns das heute noch vorstellen oder wollen uns das nicht vorstellen, wissen aber eigentlich, dass wir wahrscheinlich ein paar alte Geschäftsmodelle und Dinosaurier sterben lassen müssen“ (Domscheit-Berg, Daniel, AccsoCon, 01.10.21)

Die Zukunft ist diffus und unsicher. Um dennoch einen Ausblick zu wagen, tritt Domscheit-Berg einen Schritt zurück und wirft einen Blick in die Vergangenheit. So lassen sich zwar immer noch keine Aussagen darüber treffen, was konkret auf uns zukommt, jedoch aber die Art und Weise wie es auf uns zukommen wird. Vor gut 600 Jahren entstand eine der ersten technologische Revolutionen mit der Druckerpresse von Johannes Gutenberg. Lesen und Schreiben waren zuvor Privilegien, die nur wenigen Gelehrten zustanden. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte erhielten immer mehr Menschen Zugang zu dieser Produktionsmethode und dem damit einhergehenden Wissen. Wo zunächst nur die Bibel gedruckt wurde, führte eine immer weitere Verbreitung dazu, neben den Erzählungen auch den Status .

Geschriebene Ideen sorgten für neue Denkmodelle, die wesentliche Umbrüche in der Gesellschaft zur Folge hatten. Dies war der Vorreiter der ersten Industriellen Revolution. Ich erspare mir an dieser Stelle eine tiefergehende Betrachtung der drei industriellen Revolutionen (und die Diskussion um den Begriff „Industrie 4.0“), sondern möchte den wesentlichen Kern hervorheben, den Daniel Domscheit-Berg machte: Sie alle liefen und laufen Wellenförmig ab. Wir befinden uns derzeit auf dem Schnittpunkt der auslaufende Welle der zweiten Revolution, mit ihrer Idee des Individualverkehrs und Verbrennungsmotoren und der ansteigenden Flanke der dritten Revolution, durch die sich immer weiter entwickelnde Digitalisierung.

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„Wir sind heute längst an diesem Übergang, wo das Internet als neues Kommunikationsmedium alles verändert. Wo wir längst wissen, dass uns das Öl ausgehen wird und mit erneuerbarer, dezentraler Energieproduktion das alles werden wird und anders werden muss. […] Wir sind heute wieder in dieser Übergangsphase, wie die Weber vor der ersten Industriellen Revolution, die sich nicht vorstellen konnten, dass das alles irgendwie zu Ende gehen könnte. Genauso wenig können wir uns das heute noch vorstellen oder wollen uns das nicht vorstellen, wissen aber eigentlich, dass wir wahrscheinlich ein paar alte Geschäftsmodelle und Dinosaurier sterben lassen müssen“ (Domscheit-Berg, Daniel, AccsoCon, 01.10.21)

Technologische Revolutionen sorgten auch immer für einen Wandel der Kommunikation. Nach dem Buchdruck hatten die Menschen mehrere Jahrhunderte Zeit, sich der Veränderung anzupassen. Nach der Erfindung des Telefons dauerte es immerhin noch 73 Jahre, bis es in mehr als 90% aller Haushalte in den USA Einzug gehalten hat. In der heutigen Zeit jedoch sind diese Zeiträume auf wenige Jahre geschrumpft. Das Smartphone vbrauchte nur noch 8 Jahre, um auf dieselbe Verteilung zu kommen. Diese rasante Veränderung macht es den Menschen schwer, sich auf eine geeignete Weise zu adaptieren und so rollen immer größere Wellen von digitalen Neuheiten auf uns zu. Ein Sturm braut sich zusammen und bisher haben wir nur kleine Dämme gebaut.

Mit Pragmatismus in Stürmischen Zeiten

Heutzutage wachsen Kinder und Jugendliche mit den Technologien heran. Wer heute 16 Jahre alt ist, kennt keine Welt, in der es keine Smartphones, kein Wikipedia und kein Google Maps gibt. Sie werden von klein auf mit dem Wissen über die Verwendung von Technologien konfrontiert, das ihren Eltern und Lehrern oft fehlt. Die Dimensionen dessen sind dabei vielfältig und komplex: Vom Einrichten des neuen Smartphones, über Medienkompetenz bis hin zum Programmieren eigener Webseiten oder Anwendungen. Die Masse an Informationen, die von überall hereinprasselt führt schnell zu Überforderung auf allen Seiten. Es braucht Expertinnen und Experten, die jungen Köpfen helfen, mit der Flut, die unweigerlich auf sie zukommen wird, zurecht zu kommen.

Zusammen mit weiteren Ehrenamtlichen gründete Daniel Domscheit-Berg 2017 den Verstehbahnhof. Eine Einrichtung, die Kinder und Jugendliche dabei unterstützen möchte, digitale Kompetenzen aufzubauen und für die Zukunft zu wappnen. Wie der Name vermuten lässt, wurde dazu ein alter Bahnhof komplett entkernt und zu einem Vorzeige-Makerspace ausgebaut. In der Werkstatt werden mit Hilfe von Lötkolben, Computern, 3D-Druckern bis hin zur Stickmaschine ein ebenso vielfältiges Wissen vermittelt. Viele der jungen Menschen bekommen dadurch die Chance, kosten- und barrierefrei mit den verschiedensten Zukunftstechnologien in Kontakt zu kommen und lernen so beispielsweise, wie man programmiert, wie ein Netzwerk aufgebaut wird oder dass sich so gut wie fast alle Alltagsgegenstände bei Bedarf reparieren lassen.

Im Zuge der Pandemie wurde sehr deutlich, dass der Verstehbahnhof für die Region ein sehr großer Gewinn ist. Durch das hauseigene Rechenzentrum, welches auch mit Hilfe von jungen Menschen aufgebaut wurde, konnten Schulen und Nachbarschaftsinitiativen mit Infrastruktur versorgt werden. So wurden Video-Konferenzsysteme aufgebaut und Cloudspeicher bereitgestellt und inzwischen sogar ein digitales Klassenzimmer eingerichtet, in dem Lehrerinnen und Lehrer den digitalen Unterricht erproben können.

Doch nicht nur digitale Hilfestellungen konnten die Ehrenamtlichen bereitstellen. Als die Versorgung mit medizinischer Schutzausrüstung in verschiedensten Arztpraxen und Krankenhäusern gefährdet war, tat sich das Netzwerk aus offenen Werkstätten der Region Brandenburg zusammen, um mit Hilfe von 3D-Druckern und Laser-Cuttern Face-Shields zu produzieren. Durch weitere Zusammenschlüsse mit einer Firma, die Spritzguss-Produkte herstellt, wurden in der Zeit vom mehr als 25.000 Gesichtsmasken produziert und in gesamte Region verteilt. Es wurde deutlich, dass Pragmatismus in stürmischen Zeiten ein wertvolles Gut ist, und dieser in der Verstehwerkstatt definitiv zu finden ist.

Ein Blick in die Zukunft

Dieser sehr inspirierende Talk zeigte auf, wie wichtig es ist, dass es Initiativen, wie den Verstehbahnhof gibt. Wir müssen anfangen, die nachkommende Generation, die die Zukunft zu einem Großenteil mitgestalten wird, an digitale Themen strukturiert heranzuführen. Bei unserem heutigen Technologie-Stack reicht ein (noch nicht einmal großflächig verbreiteter) Programmierunterricht in der Schule nicht aus, um mit der weiter anrollenden Flut zurecht zu kommen. Maker-Spaces und Initiativen für Schüler und Lehrer bieten Antworten auf Fragen, die nicht in einen vollen, strukturierten Lehrplan passen. Zudem wecken sie das Interesse junger Menschen an digitalen Technologien auf eine besondere, unverschulte und persönliche Art und Weise.

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Einen Anlaufpunkt, wie den Verstehbahnhof zu haben, ist ein großer Mehrwert für die gesamte Region. Ich persönlich nehme diese Keynote zum Anlass, mich in meinem Wohnort nach ähnlichen Initiativen umzuschauen und mein Know-How als Entwicklerin ehrenamtlich anzubieten. Ich denke aber auch, dass wir als Firma, neben der bereits bestehenden Möglichkeit, ein Schülerpraktikum bei uns durchzuführen, noch weiteres Potenzial haben, uns in der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu engagieren. Ich bin sicher, dass wir dort gemeinsam etwas wertvolles auf die Beine stellen können. Wer weiß, was die Zukunft bringt.