20. Nov. 2025

Vision und Strategie: So kann Zukunftsarbeit gelingen

Strategie-Workshops in der Praxis: Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine gelungene Zukunftsarbeit
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

Strategie 1 Rahmenbedingungen

Die Arbeit an Zukunft und Perspektive einer Organisation wird von vielen als Königsklasse der Organisationsentwicklung gesehen. Sie kann aufregend und geheimnisvoll wirken, vielleicht auch elitär. Wer wird in den Kreis der Zukunftsgestalter aufgenommen? Und wer bekommt anschließend nur das Ergebnis präsentiert? Ob die Beteiligten auf dieses Vorhaben nun eher positiv oder negativ blicken – fast immer sind hohe Erwartungen im Spiel. Es geht um unsere Zukunft, und die ist irgendwie alles und gleichzeitig ungewiss.  

Als jemand, der seit Jahren Organisationen in der Gestaltung ihrer Zukunft begleitet, kann ich sagen, dass sich dieser Schleier an Erwartungen schnell auflösen kann, wenn die tatsächliche Arbeit beginnt. Denn das Erarbeiten von Vision und Strategie ist eine echte und vor allem kognitive Herausforderung.  

Wie Sie dieser Herausforderung praktisch begegnen können, möchte ich Ihnen in dieser kleinen Artikelreihe näherbringen – anhand eines echten Beispiels einer Strategieberatung und mit konkret beschriebenen Vorgehensweisen, die Sie übernehmen und für sich anpassen können.  

In diesem ersten Artikel geht es um Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine gelungene Zukunftsarbeit. In den folgenden Artikeln dann um 

So viel zum Überblick und jetzt geht’s weiter mit dem konkreten Beratungsbeispiel. 

Praxisbeispiel: Strategieberatung für eine Organisation mit 3.000 Mitarbeitenden

Es geht um einen großen Strang einer Organisation mit etwa 3.000 Mitarbeitenden. Die betroffene Organisationseinheit entwickelt und betreibt Software-Lösungen für interne und externe Kunden. Nun muss sie sich überlegen, wie sie sich in den nächsten Jahren strategisch aufstellen muss und möchte. Neben technologischen Trends wie KI, Datensicherheit und -souveränität ist der Auslöser dafür vor allem eine neue übergreifende Organisationsstrategie, die sich stark auf die Einheit auswirkt, insbesondere in Bezug auf Struktur, personelle Ressourcen und Produktstrategie.  

Die Vorbereitung: Auswahl der Beteiligten

Bevor wir mit der Arbeit am Zukunftsbild und möglichen Strategien beginnen, sollten wir zwei Aspekte klären: Wer ist aktiv an der Zukunftsarbeit beteiligt? Und was ist unser Gestaltungsrahmen? 

Die Zusammenstellung der Beteiligten kann sich rein aus der Hierarchie ergeben, bspw. dem Führungskreis einer Organisationseinheit. Es kann aber auch sinnvoll sein, andere zu beteiligen, wegen ihres Wissens, ihrer Erfahrung oder einer starken Vernetzung im Unternehmen. 

Der Gestaltungsrahmen befasst sich vor allem mit Freiheiten und Abhängigkeiten. Eine wirkmächtige Vision setzt nicht auf der grünen Wiese an, sondern berücksichtigt von Anfang an, was man für selbst gestaltbar hält und was nicht. In unserem Beispiel gibt es Vorgaben durch die Unternehmensstrategie. Diese geben der eigenen Vision eine gewisse Richtung vor und begrenzen die Gestaltungsfreiheit. Die Vision muss sich also damit auseinandersetzen, wie sich die Organisationseinheit zur Strategie des gesamten Unternehmens verhalten möchte. Nicht zuletzt sollte auch ein Zeithorizont vereinbart werden, bspw. 3, 5 oder 10 Jahre. 

Rahmenbedingungen wie diese würde ich nicht (zumindest nicht ausschließlich) durch einen Workshop festlegen. In der Regel erfordern sie Recherche, Abstimmungen und vor allem Zeit zur Reflexion. Sie kaufen damit quasi das Grundstück, auf dem Sie Ihr späteres Haus bauen und begrenzen damit in gewisser Weise auch die Möglichkeiten dieses Haus zu gestalten. 

Der letzte Schritt zur Vorbereitung ist sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Rahmenbedingungen kennen und verstanden haben. Dann kann es mit dem ersten großenStrategie-Workshop losgehen. 

Vision und Strategie: eine kognitive Herausforderung 

Die größte Herausforderung bei Zukunftsarbeit und Strategie-Workshops liegt, meiner Erfahrung nach, zunächst nicht in Interessenskonflikten oder unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen, sondern im Vorstellen der Zukunft an sich, bzw. im Vorstellen verschiedener möglicher Zukünfte. Das erfordert von den Beteiligten: 

  • Eine hohe kognitive Leistung, sich vom gegenwärtigen Wissensstand aus verschiedene Zukunftsszenarien ausreichend detailliert und in verschiedenen Aspekten vorzustellen.
  • Die Aufmerksamkeit dort eine gewisse Zeit halten zu können, ohne (unbewusst) im Detailgrad oder dem Zeithorizont hin und her zu springen.
  • Wahrzunehmen, dass man gerade ein Szenario entwickelt, das eintreten kann oder auch nicht, ohne sich dabei innerlich zu zensieren.
  • Das alles einigermaßen synchron mit anderen Menschen zu schaffen. 

Wenn es nicht gelingt, greifen Beteiligte gerne auf etwas zurück, was für sie leichter greifbar ist als eine abstrakte mögliche Zukunft und fokussieren sich bspw. auf konkrete Maßnahmen und Zeitpläne. Dafür ist es in unserem Fall allerdings noch zu früh. Wir möchten, dass spätere Maßnahmen auf ausgesuchte Strategien und ein gemeinsamesZukunftsbild einzahlen. Andernfalls gestalten Maßnahmen eine mehr oder weniger zufällige Zukunft, keine bewusst gestaltete. 

Für Beratende ist es in einem solchen Fall wichtig zu unterscheiden, ob es sich beim Fokus auf praktische Maßnahmen um eine bewusste und pragmatische Entscheidung der Beteiligten handelt oder um ein (meist unbewusstes) Vermeidungsverhalten, weil die Zukunftsarbeit sie gerade kognitiv überfordert. Im ersten Fall können Sie mit den Beteiligten überprüfen, ob Vision und Strategie schon tragfähig genug für konkrete Maßnahmen sind. Im zweiten Fall können Sie die Methodik entsprechend anpassen, um die Beteiligten kognitiv zu entlasten. 

Im nächsten Artikel beschreibe ich konkret, wie der erste große Workshop zu Vision und Strategie des Beratungsbeispiels aufgebaut war und möchte Ihnen damit eine praktische Anleitung für eigene Strategie-Workshops anbieten, die Sie übernehmen und anpassen können. 

Bis dahin! Und bei Fragen oder Anmerkungen, schreiben Sie mir gerne eine Nachricht oder einen Kommentar. 

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