16. Jan. 2025

Systemisch Denken und Handeln (2): Wie geht das eigentlich?

Systemisches Denken und Handeln heften sich viele Menschen und Dienstleistungen ans Revers, doch nicht immer steckt auch tatsächlich drin was außen draufsteht: Wie lässt sich erkennen, ob jemand systemisch berät? Wozu und in welchen Fällen nützt ein systemischer Ansatz? Und was ist das überhaupt?
2024 Marc Riedinger

Autor:in

Marc Riedinger

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Im ersten Teil des Artikels bin ich auf die Kernideen systemischer Arbeit eingegangen. Jetzt geht es um die Praxis: Wann ein systemischer Ansatz sinnvoll ist und wie Systemiker komplexe Probleme lösen. 

In welchen Fällen hilft ein systemischer Ansatz? 

Systemisches Denken und Handeln ist immer dann hilfreich, wenn eine komplexe Situation verstanden und verbessert werden soll. Solche Situationen werden auch als wicked problems bezeichnet, die meist über eine längere Zeit andauern, unterschiedliche Beteiligte involvieren und schwer zu greifen sind. 

Für einfachere Problemstellungen ist ein systemischer Ansatz in aller Regel zu aufwendig und damit wenig effizient. 

Konkret: Woran erkenne ich systemisches Denken und Handeln? 

Das systemische Denken und Handeln ist abstrakt, komplex und schwierig auf einfache Art zu beschreiben. Dennoch gibt es leicht verständliche Verhaltensweisen, anhand derer man systemisch Arbeitende erkennen kann. 

Das Wichtigste vorab: Sie versuchen das Gesamtbild zu verstehen und widerstehen dem Drang einer schnellen Schlussfolgerung und Problemlösung. Als systemisch Beratende versuchen sie außerdem, diese Haltung an die Menschen weiterzugeben, mit denen sie arbeiten. Das verlangt ein breit gefächertes Interesse, Ausdauer und Geduld – auch sich selbst gegenüber. 

Was systemisch Arbeitende darüber hinaus auszeichnet: 

  • Sie beobachten das System über Zeit und suchen nach Mustern und Trends. 
  • Sie ändern ihren Standpunkt, um das System aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. 
  • Sie decken Annahmen und mentale Modelle auf, die die Situation in Bezug auf die Gegenwart und Zukunft beeinflussen. 
  • Sie modellieren die Sichtweisen visuell und kollaborativ, um das System für alle Beteiligten greifbar zu machen. 
  • Sie erkennen Kreisläufe komplexer Ursache- und Wirkungsbeziehungen - auch jene, die zunächst kaum beachtet oder als abwegig angesehen werden. 
  • Sie nutzen diese Kreisläufe als Hebel, um möglichst effektive Problemlösungen zu identifizieren. 
  • Sie berücksichtigen kurzfristige, langfristige und unbeabsichtigte Folgen von Handlungen – im gegenwärtigen und zukünftigen, veränderten System. 
  • Sie erkennen den Einfluss zeitlicher Verzögerungen auf Ursache- und Wirkungsbeziehungen. 
  • Sie stellen bedeutungsvolle Verbindungen innerhalb und zwischen eingebetteten Systemen her. 
  • Sie achten auf ein gemeinsames Verständnis der Systemgrenze. 

Mein persönliches Anliegen 

Ich selbst versuche, wann immer es möglich und sinnvoll ist, systemisch zu beraten. Zum einen liebe ich diese Arbeit und zum anderen ist es der effektivste Weg, um mit Komplexität umzugehen, den ich kennengelernt habe.  

Dank hunderten Stunden akademischer Ausbildung in Systems Thinking, jahrelanger Erfahrung in der praktischen systemischen Beratungsarbeit und einem ungebrochenen Interesse an Fachliteratur, Netzwerken und Weiterbildungen fühle ich mich in der Disziplin sicher genug, um den Wert des Ansatzes sowie die Herausforderung, ihn zu lernen, aus praktischer Sicht einzuschätzen. 

Es ist mir ein Anliegen, Transparenz zu systemischer Arbeit zu schaffen. Sie ist lohnend, aber aufwendig und anstrengend zu lernen, denn in vielen Aspekten widerspricht die systemische Denkweise dem, was wir in Schulen lernen, um Phänomene zu begreifen. Und es braucht Übung, um diese Denkweise derart zu integrieren, dass sie im Beratungsalltag sicher verwendet werden kann. Noch mehr Erfahrung braucht, wer systemische Ansätze mit anderen kombinieren möchte, so dass sie sich sinnvoll ergänzen und nicht gegenseitig blockieren oder aushebeln. 

Manche Anbieter von Weiterbildungen, Zertifizierungen oder Frameworks locken mit einem systemischen Label oder versuchen, Systems Thinking als Bestandteil ihrer Frameworks stark verkürzt zu integrieren, wie beispielsweise im Fall von SAFe oder unFIX. Besonders interessant dabei ist, dass ein stark schematisches Vorgehen, wie es solche Frameworks oft vorsehen, den systemischen Prinzipien deutlich widerspricht. Um die Brücke zum Beginn des Artikels zu schlagen: Nicht immer ist systemisch drin, wo systemisch draufsteht.  

Ich möchte, dass Sie, als Kunde, das bekommen, was Ihnen versprochen wird – unabhängig davon, ob Sie eine systemische Beratung in Anspruch nehmen oder sich für eine Weiterbildung anmelden. Und ich hoffe, dass Ihnen die Gedanken und das Beratungsprofil in diesem Artikel dabei helfen, sich entsprechend orientieren zu können. 

Wenn Sie dazu Fragen haben oder ich darüber hinaus weiterhelfen kann, dann schreiben Sie mir gern! 

Marc Riedinger

Principal
Organisationsberatung und Coaching
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